Venezuela erlebte seit 1999 einen Transformationsprozess, dessen Ziele soziale Gerechtigkeit und partizipative Demokratie waren. Bildung als transformative Kraft spielte darin eine Schlüsselrolle. Wie vielen historischen Versuchen gesellschaftlicher Transformation ist es auch dem „Bolivarianischen Prozess“ nicht gelungen, seine Ziel dauerhaft zu erreichen. Gegenwärtig befindet sich Venezuela in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise, deren Gründe sowohl in äußerem Druck als auch in innerer Erosion der Reformdynamik zu suchen sind. Dennoch sind die anfänglichen Errungenschaften des Bolivarianischen Prozesses bemerkenswert. Die Bolivarianische Bildungspolitik trug wesentlich zur politischen Handlungsermächtigung der venezolanischen Unterschichten und zum Entstehen einer „Bolivarianischen Gegenhegemonie“, basierend auf den Werten der Solidarität und sozialen Gerechtigkeit, bei. Sie spielte auch eine wichtige Rolle für die Verbesserung der Sozialindikatoren. Warum es trotzdem nicht gelungen ist, Bildungs- und soziale Ungleichheit dauerhaft zu überwinden und warum dies letztendlich die gegenhegemonialen Ansätze untergraben hat, das untersucht Margarita Langthaler in ihrem Buch „Education Policies and Counter-Hegemony in Bolivarian Venezuela“. Die Lehren aus dem venezolanischen Beispiel sind über die Grenzen des Landes hinaus für Bildungsprozesse und -politiken im Globalen Süden von Interesse.
(C3 Radio vom 10.06.2020)